Pepe und sein Selbstverständnis
Ein Werk malen, es schöpfen und gebären, ist etwas vom Schrecklichsten und Grandiosesten überhaupt. Natürlich, muss man dazu geschwängert sein von Leben, es fühlen, um es wissen, es sehen. Aber um bis dahin zu gelangen, nämlich zur Geburt des Bildes, musst Du Künstler sein, weil dies alles wie die Leibes frucht des Künstlers ist.
Stunden und Tage verbringe ich in meinem Atelier, ich leide, bevor ich ein Werk, ein Bild beginne; es sind Momente, die man nicht beschreiben kann, weil Kreieren, Kunst schaffen, nachdem man einmal die Technik beherrscht und die Ideen hat, ein Geheimnis ist, das nicht einmal der Künstler selbst erklären kann, wenn er vor der Leinwand, vor dem Papier oder vor was auch immer steht. Der Künstler birgt dies alles in sich, er ist davon durchdrungen bis in die Tiefen seines Seins; aber natürlich, ich sage das von mir, meine Bilder werden geboren, sie sind Teile meiner selbst. Nie habe ich Drogen genommen, weder Alkohol noch sonst ein Aufpeitschungsmittel, um zu malen oder zu zeichnen, ja nicht einmal die Pfeife, die ich doch sonst viel rauche. Wenn ich arbeite, gebe ich mich total an die Kunst hin, im Wissen um die Verantwortung für das, was ich mache.
«Meine Ideen, meine
Formen verändern sich
immer, ich könnte nicht
jahrelang die gleichen
Bilder malen»
PEPE ESPAÑA
Meine Ideen, meine Formen verändern sich immer, ich könnte nicht jahrelang die gleichen Bilder malen, ich glaube nicht an eine Kunst in diesem Sinne, obgleich natürlich alles, was ich schaffe von meinem persönlichen Stil geprägt ist. Ich arbeite nie mit Entwürfen, alles geht direkt auf das Bild, weshalb aus meinen Werken dieses Spezielle, Lebendige spricht. Noch etwas Anderes: Gleich wie ich während Monaten ununterbrochen arbeite, geniesse ich nachher das Leben, rühre kaum einen Pinsel an, aber mein Kopf ruht nie, da mich alles in meiner Umgebung beschäftigt, die Menschen, die Natur, alles was das Leben ausmacht. Ich war nie ein Maler mit Mitteln, die mir in meinem Werdegang weitergeholfen hätten, mit acht Jahren musste ich arbeiten, alles wurde mir schwierig gemacht, besonders in dieser Welt der Kunst. Einige werden mich verstehen, meine Art zu denken und die Dinge zu sehen. Aber ich lebe von meiner Malerei, etwas, das mich mit Stolz erfüllt, denn was ich bin, das bin ich durch mich.
Ich bin müde, in weniger als zwei Monaten seit meiner Ankunft in Cuenca schuf ich 10 Bilder, jedes à 100x90. Ich arbeitete viel, Dinge die sich in mir aufgestaut hatten, musste ich hinauswerfen; ich weiss nicht, die Tage, die Stunden waren für mich ein grosses Warten, nur wenn ich malte, vergingen die Stunden etwas leichter, nun bin ich wie ausgehöhlt, es ist eine schöne Reihe von Bildern, es sind gute Geburten. Ich glaube mein Werk wird mit jedem Mal persönlicher, authentischer, denn wenn ich arbeite, male ich mit ganzer Hingabe, wissend, was meine Bilder darstellen müssen; so, meine ich, muss man als Künstler sein. Sprechen wir nicht von jenen Geschichten und Boulevard-Dingen, die von vielen mit der Malerei vermengt werden. Wenn der Maler mit sich selber und mit seinem Werk nicht ehrlich ist, nicht die Wahrheit malt von dem, was er fühlt, werden seine Bilder der Menschheit nie etwas sagen, sie werden weder das Geheimnis non die Botschaft in sich tragen, worin ihre eigentliche Bedeutung für die Leute liegtet. Ja, Werke schaffen und gebären ist schrecklich, aber es ist auch eine grosse Befriedigung für den Mann, der es tut.
In diesen letzten Zeichnungen und Bildern, die ich in der gegenwärtigen Etappe meiner Malerei schaffe, ist viel enthalten. Es sind nicht Bilder gerade für den Augenblick, sie brauchen, sie verlangen mehr. In ihnen schwingt mein ganzes Leben mit, sie bleiben nicht bei einem einzelnen Ausdruck stehen, sie sind wie Explosio- nen, wie Sinfonien; aber Sinfonien von Volumen, von Formen, alles schwebt und hält sich doch aneinander fest, wie wenn sich die Dinge nicht voneinander trennen wollten; alles ist transparent und doch voll von Farbe, Farbe und Formen stehen gelöst da, sie leben ihren Augenblick, sich gleichzeitig vereinigend und wieder freigebend. Eines Tages wird man diese Bilder besser zu sehen wissen, sie auch verstehen, das ist nur natürlich, aber ich mache sie, weil sie aus mir herausströmen, weil ich sie fühle und sie schaffen muss; es ist dies wie der Atem um zu leben.
Wieder einmal lese ich eine Kunstzeitschrift, die mehr oder weniger das bringt, was alle andern auch. Aus der Kunst, nun, d. h. aus dem, was heute Kunst genannt wird, hat man nichts Anderes als ein Geschäft gemacht, vor allem bedingt durch gewisse skrupellose Leute, die vor nichts halt machten. Selbstverständlich gibt es keine Reinheit in der Kunst, Schöpfer hat es immer wenige gegeben, heute wahrscheinlich noch weniger als früher. Ein riesiger Rummel wird darum aufgebauscht, dies ja, aber Kunst, wenig. Auch bemerke ich bei den meisten Leuten, die über Kunst, über Malerei sprechen, dass sie immer versuchen, Maler, wahrhafte Künstler und besonders uns, die wir vom Süden sind, herunterzureissen. Es besteht ein gewisser Neid gegen uns, aber ich glaube, dass die Maler, die Künstler des Südens, Andalusien, mehr Wahrheit bergen als die andern. Zu allen Zeiten hat es unter ihnen wahrhafte Künstler und gute Maler gegeben, so war es und so wird es auch immer sein.
Ich weiss nicht, aber wir sind verschieden, aus dem Werk spricht das gute Können, das Wissen, das Fühlen und die Schöpfung, ein Kunstwerk sagt der Menscheit Wesentliches, bringt es ihr näher, es trägt diese Persönlichkeit und Qualität in sich, denn ein Bild machen heisst nicht einfach es anmalen, in ihm muss etwas mitgehen, es muss etwas ausstrahlen, was ihm eben nur der wahrhafte Künstler geben kann.
«Ein Bild ist nicht für
die Mode, ein Kunstwerk
hat Gültigkeit für alle
Zeiten, es spricht für
sich selber und die Zeit
wird dies bestätigen»
PEPE ESPAÑA
Meine Ideen, meine Formen verändern sich immer, ich könnte nicht jahrelang die gleichen Bilder malen, ich glaube nicht an eine Kunst in diesem Sinne, obgleich natürlich alles, was ich schaffe von meinem persönlichen Stil geprägt ist. Ich arbeite nie mit Entwürfen, alles geht direkt auf das Bild, weshalb aus meinen Werken dieses Spezielle, Lebendige spricht. Noch etwas Anderes: Gleich wie ich während Monaten ununterbrochen arbeite, geniesse ich nachher das Leben, rühre kaum einen Pinsel an, aber mein Kopf ruht nie, da mich alles in meiner Umgebung beschäftigt, die Menschen, die Natur, alles was das Leben ausmacht. Ich war nie ein Maler mit Mitteln, die mir in meinem Werdegang weitergeholfen hätten, mit acht Jahren musste ich arbeiten, alles wurde mir schwierig gemacht, besonders in dieser Welt der Kunst. Einige werden mich verstehen, meine Art zu denken und die Dinge zu sehen. Aber ich lebe von meiner Malerei, etwas, das mich mit Stolz erfüllt, denn was ich bin, das bin ich durch mich.
Gedanken über Jugend und Kunst
Man fragt mich, was die Kunst für die Jungend bedeutet. - Ich glaube, dass der grösste Teil der Jugend nicht einmal weiss, was Kunst ist, noch sich dafür interessiert. Die Jugend sieht Kunst als etwas weit Entferntes, Kühles, oder überhaupt nichts. Einige werden darin nichts anderes als einen Spektakel, eine Show sehen. Die Kunst muss den Kindern schon von ganz klein an nahegebracht werden, genau gleich wie man sie andere Dinge lehrt, natürlich ohne sie zu beeinflussen, sondern derart, dass das Kind von selbst entdeckt, was Kunst ist.
Dem Kind werden Kriegsspielzeuge geschenkt, und wie übel spielen die Erwachsenen mit der Unschuld der Kinder und wie sind sie dazu noch stolz, ihrem Kinde das letzte Modell eines Maschinengewehres geschenkt zu haben, welches ein Händler auf den Markt gebracht hat. Dem Kind muss man Liebe und Frieden lehren, und die Kunst trägt dies alles in sich. Was wäre die Welt ohne Kunst? - Musik, Literatur, Poesie, Malerei, Bildhauerei, Architektur, aber natürlich lehrt man uns von klein an nur das Praktische, was nützlich ist und wonach die Erwachsenen Interesse haben, dass wir es lernen.
Natürlich geht es nicht an, der Kunst gegenüber zu treten, als sei sie etwas völlig Unwichtiges, so, wie etwa die Lehrer ihre Schüler in ein Museum bringen, um rein verstandesmässig ihre Aufgaben zu erfüllen. Das ist, als ob die Schüler ein Pantheon, einen Friedhof besuchen und darin Kälte und Distanz empfinden. Die Folge ist natürlich, dass das Kind die Kunst als etwas Kühles, Distanziertes betrachtet, als ein Phantasma. Erst wenn es älter wird, beginnt es sich für Kunst zu interessieren, denn das Leben zeigt ihm die Kunst des Menschen. Dann endlich kann es sich für diesen oder jenen Künstler interessieren und dessen Kunst durchempfinden.
Es ist traurig, aber leider Wirklichkeit, die Leute wissen heute nichts von Kunst, man muss diese Tatsache anerkennen. Nie spricht man ihnen von Kunst, von den Menschen, die Kunst machen. Man erzählt ihnen davon nur so nebenbei, ohne Gewicht, als ob es etwas Unnötiges sei. Deshalb verkennt die Welt die Empfindungen und den Kampf des Mannes, der Kunst macht, gute Kunst; denn verwechseln wir nie die Akademie mit der Schöpfung, der Kreation. Der Künstler wird als solcher geboren, und er formt sich selbst durch seine Arbeit, durch seinen Kampf. Andere machen dann das Geschäft mit ihm, tant-pis für diese. Was kann ich mehr über Kunst sagen; es schmerzt mich, dass die Menschen den Künstler und seine Kunst nicht verstehen können, dass sie in ihm ein eigenartiges Wesen sehen. Mehr Aufmerksamkeit dem Schönen gegenüber und die Welt wäre für uns alle besser.
Natürlich hat der Künstler das Recht, recht zu leben; denn er gibt der Welt Schönheit und diese verbleibt der Geschichte des Volkes.
Gott macht den Künstler, Gott stellt ihn in dieses Leben, damit er der Menschheit Schönheit und Empfinden zeige. Viele Leute meinen, mit dem Schulbesuch würden sie die Kunst der Zeichnung und der Malerei erlernen und seien damit bereits Künstler. - Wie sehr täuschen sie sich! Der Künstler wird als solcher geboren, und formt sich selbst durch seine Arbeit, sein Empfinden, seinen Kampf. Kreation kommt von innen; Persönlichkeit und Stil trägt der Künstler in seiner Haut, in seinem Herzen.
Kunst machen heisst Leben, Empfinden und Vermittlung an die übrigen Menschen. Nicht alle Künstler bringen eine Botschaft in ihrem Werke, denn Malen ist eines, Kreieren (Schöpfen) etwas anderes.
Gedanken
Ich bin in meinem Atelier an der Junkerngasse in Bern und betrachte mein letztes Bild, das ich gemacht habe. Es ist eine Leinwand, Zeichnung-Malerei, wie ich es nenne, von einer Grösse von 120x100.
Eines Tages wird man viel über meine Arbeit schreiben müssen, über meine Kunst, meine Art, die Dinge zu sagen. Ich male das Licht, das Transparente, den Ausdruck, das Empfinden es ist dies meine Art, wie ich es empfinde. Was ist Farbe? - Licht, das Licht gibt den Dingen Farbe. Die Mehrheit der Künstler jedoch füllen ihre Bilder lediglich mit Farbe aus. Ich empfinde das Licht, ich male das Licht, das Transparente, das ist es - Form und Ausdruck, was mehr? - Und natürlich dies alles innerhalb meiner Linie, meines Stiles.
«Ich empfinde das Licht,
ich male das Licht,
das Transparente
das ist es - Form und
Ausruck, was mehr?»
PEPE ESPAÑA
Deshalb werden meine Bilder von denjenigen gesehen und empfunden, die in sich Licht tragen, die ein klares Gemüt und eine wache Empfindung besitzen. Meine Bilder werden dort verstanden, wo Liebe und Reinheit der Seele vorherrscht, wo Edelmut des Herzens den Menschen bestimmt. Diejenigen, denen diese Eigenschaften abgehen, ertragen meine Bilder nicht, weil sie wissen, dass sie vor mir wie entblösst stehen; ich sehe und durchschaue sie, sie können mich nicht betrügen und wissen es. So sind meine Bilder: Licht, Ausdruck und Form, und so muss Kunst sein. Alles übrige ist nichts, überhaupt nichts, nur die Absicht, die Dinge zu komplizieren, "Leche y habas na de na" (Milch und Butter, überhaupt nichts), wie man in Andalusien sagt. Natürlich steht neben alledem meine Linie, diese Linie, die jedesmal feiner ist, die jedesmal mehr aussagt. Alles mit so wenig als möglich sagen, ist das nicht schön?
Wie poetisch! Diese meine Linie dringt in alle, gelangt an alle. Bei den einen löst sie Gutes aus, anderen ist sie lästig · wie eigenartig! Aber es ist meine Linie, denn Gott hat sie so in mein Empfinden, in mein Wesen gelegt, damit ich mich mit ihr ausdrücke. Dafür danke ich dem allmächtigen Gott mit meinem ganzen Herzen.
Ich bin gerne so wie ich bin, ich empfinde gerne so, wie ich empfinde, und sollte ich eines Tages wieder geboren werden, würde ich gerne wieder Maler werden, auch wenn der Weg dazu hart und schwierig ist.
In Malaga, da wurde ich am 1. Juli 1930 geboren, bei guten, bei lieben Eltern. Ich bin Krebs-geboren und als solcher intuitiv, affektiv und häuslich, mein Leben ist die Kunst, die Malerei; Schüchternheit verrät den Krebs, das wissen alle, die mich gut kennen.
Ganze Tage verbringe ich in meinem Atelier, das mein eigentliches Zuhause ist; ich liebe Ordnung und guten Geschmack. Einsam fühle ich mich nie, ich weiss gar nicht, was das ist, denn meine Intuition arbeitet unablässig. Um schöpferisch tätig zu sein, in meinem Fall in der Malerei, muss man allein sein, völlig ungestört. In diesem Moment stört mich sogar der Rauch meiner Pfeife, die Hingabe an meine Arbeit ist total.
Ziehe ich eine Linie - wie viele Kilometer habe ich schon gezogen - entstehen daraus Formen, Leben; ich liebe das Leben! Kunst heisst nicht kopieren, sondern Interpretieren, das Maximum mit dem Minimum aussagen; und meine Linie sagt viel. Meine Malerei, die Liebe, die Freundschaft gelten mir viel; ich liebe das Meer und die Sonne in meinem Malaga, es faszinieren mich die Berge und die Wälder der Schweiz. Ebenso geniesse ich eine Plauderei mit Freunden zu Hause bei einem Glas guten Wein; Poesie begeistert mich, klassische Musik erfüllt mich und im Flamenco schwinge ich mit ich liebe einfach das Leben!
Ich bin dem Leben dankbar, für alles Erleben und für meine Gesundheit; Zeichnung und Linie sind tief in mir verankert. Liebe und Menschlichkeit bedeuten mir viel, sie machen das Leben erst lebenswert; ich achte ehrenhafte und aufrichtige Menschen, Falsches und Falschheit verabscheue ich.
Es geht nicht um das Kopieren von Gegenständen, es geht um den Ausdruck und die Sprache des Herzens. Kunst ist nicht Handwerk. Kunst ist Ausdruck, um viel oder zumindest das Meiste mit dem Wenigsten zu erzählen. In der Gestaltung und Ausführung ist sie Kontrast zum Abgegriffenen, schon Vorhandenen. Der Künstler hat von allem seine eigene Technik und seine eigene Wahrnehmung. Als Mensch und Maler bleibt er sich selbst treu und schätzt den anderen. Er ist empfänglich für seine Umgebung und die Mitmenschen. Er duldet das Leid und genießt die Freuden.
«Kunst ist Leben,
Liebe und Kampf.
Vom Menschen und
für die Menschen.»
PEPE ESPAÑA
Das ist Liebe. Was wäre das Leben ohne sie? Es gilt nicht nur das Bild zu schaffen, man muss auch im Bild sein, selbst wenn es unter die Haut geht. Aber was ist das schon, wenn das Bild die anderen erreicht? Es geht um das Handeln aus eigener Kraft. Auch wenn der Preis hoch ist. Ein Versuch ist es wert und er hilft im Leben. Das Auge, der Sinn, der Ausdruck und die gekonnte Bewältigung des Bildes sind der Weg vom Selbst zu den anderen. Die Natur ist ein Wunder! Ohne Sinnlichkeit wäre Kunst nur können. Aber Kunst ist Leben, Liebe und Kampf. Vom Menschen und für die Menschen.